Waldbegang im Kirchenwald Breitenau
Am 9. 4.2022 fanden sich etwa 20 Personen am Rembser Hof ein, um mit Oberforstrat Ritter zwei Waldstücke anzuschauen: das erste lag in einem Privatwald dessen Baumbestände durch die Trockenperioden der letzten Jahre stark geschädigt waren, das zweite in einem Kirchwald.
Der stark in Mitleidenschaft genommene erste Forst war geprägt von einer großen, weitgehend kahlen Fläche. Die wenigen verbliebenen Bäume zeugten davon, welche Gehölzarten trotz der Trockenperioden der letzten Jahre überlebt haben: eine Lärche, eine Douglasie, eine Buche, eine Kastanie und eine Robinie – Bäume, die zu einem Mischwald gehören. Das Ziel für die kommenden Jahre ist es deshalb, Wälder mit einer möglichst großen Artenvielfalt aufzubauen.
Herr Ritter erläuterte, dass das massive Fichtensterben 2019 und 2020 nicht (nur) auf Fehlwirtschaft vergangener Zeiten zurückgeht. Insbesondere die nach dem 2. Weltkrieg zu leistenden Reparationszahlungen zwangen zu umfangreichen Rodungen. Um auf den kahlen Flächen möglichst schnell wieder Bäume wachsen zu lassen, pflanzten „Nachkriegsfrauen“ als Antwort auf die Notlage der Zeit vor allem Fichten, denn aus 1 kg Fichtensamen lassen sich 60 000 Setzlinge ziehen, bei Buchen oder Eichen jedoch nur 60 –100.
Unser Problem heute ist die Klimaerwärmungmit ihren Trockenperioden seit 2018. Der Temperaturanstieg Im Westerwald betrug in den letzten Jahren ca. 1,6°, in Deutschland 1,5 ° und weltweit sind es 1,1°. Dies ist für den Wald eine katastrophale Entwicklung. Borkenkäfer, die eigentlich zu einem gesunden Ökosystem gehören, trafen auf geschwächte Fichten und vermehrten sich explosionsartig: In einer einzigen Fichte gab es bis zu 70 000 Borkenkäfer! 70 000 Tiere, die sich 3mal im Jahr vermehrten! Dem konnte man nicht mit bisher bekannten Maßnahmen, der Entnahme einzelner befallener Fichten und dem Nachpflanzen von Laubholzarten, begegnen, denn wegen des großen Bauholzbedarfs kann nicht auf die Fichte verzichtet werden.
Vielfach hört man, dass man so ein befallenes Waldstück seinen eigenen Regenerationskräften, d.h. der natürlichen Sukzession, überlassen sollte. Dazu meinte Herr Ritter: Dies sei zwar eine gute Lösung. Dabei werde aber leider übersehen, dass das Zeitfenster, das wir haben, um atmosphärisches CO2 zu reduzieren, nur 10 Jahre beträgt. Eine Selbstregulierung des Waldes würde jedoch 50 –100 Jahre dauern. Nur eine grüne Pflanze kann CO2 aufnehmen. Deshalb müssen unsere Wälder schnell dazu befähigt werden. Dazu kommt die Frage des Holzbedarfs, gerade in der augenblicklichen Krise: Das meiste Holz kommt aus Belarus und Russland. Dort werden Nadelwälder konsequent abgeholzt, was für unser aller Klima eine Katastrophe ist.
Punktuell gibt es auchim Westerwald aus der Nutzung herausgenommenBestände (Naturwaldzellen), an denen Forschungsinstitute über Jahrzehnte die Waldentwicklung studieren, um für die Forstwirtschaft zu lernen. Wir befinden uns dabei in einem intensiven Lernprozess. Es wird aber noch viele Jahre brauchen, um alle Zusammenhänge zu verstehen.
An einer zweiten Stelle im Kirchenwald wurde uns eine Neuaufforstung mit vor allem Douglasien gezeigt, eine nicht heimische Nadelbaumart. Aus Pollenanalysen aus Torfmooren wissen wir, dass vor den Eiszeiten auch bei uns Douglasien wuchsen, und somit im weiteren Sinne keine Florenverfälschung vorliegt. Die Douglasie ist resistent gegen den Borkenkäfer; sie ist aber noch nicht in die ökologischen Abläufe naturnaher Waldökosysteme eingebunden. Bekannt ist bisher erst, dass eine unterirdische Verbindung zwischen Douglasie und Buche besteht. Daraus ergibt sich, dass gleichzeitig auch Buchen gepflanzt werden müssen. Wie sich die Ökologie dann weiterentwickelt, muss noch beobachtet werden.
Herr Ritter erläuterte hier auch die Baumartenpyramide, die man bei Neupflanzungen beachtet:
Douglasie
Bäume aus warmen Gegenden Europas (Slowenien, Karpaten)
von den Römern mitgebrachte Bäume (Esskastanie, Rosskastanie, Elsbeere)
heimische Baumarten (Eiche, Buche, Bergahorn, Lärche, Kiefer, Fichte)
Würden wir die Wiederbewaldung der Natur überlassen, würde auf den Flächen der ehemaligen Fichtenforste erneut die Fichte dominieren.
Im Kirchenwald haben wir auch Bereiche gesehen, auf denen kaum etwas gemacht zu werden braucht, weil sich hier derWald selbst verjüngt. Es finden sich Eichen, Bergahorn, Fichten, Lärchen und Buchen. Nur punktuell werden noch einige Eichen und Buchen eingebracht.
Diese Waldbestand bietet eine gute Voraussetzung für eine ökologische Bewertung, die Bestandteil des von der Kirche angestrebten Zertifizierungsprozesses ist.
Mit der Forstwirtschaft antworten wir auf die Bedürfnisse der Gesellschaft. Wenn wir alle Möglichkeiten zur Aufforstung nutzen würden, könnten wir 120 Millionen Festmeter Holz erwirtschaften. Zur Zeit nutzen wir nur 60 Millionen, verbrauchen aber 130 Millionen. Den Rest holen wir aus oft weniger entwickelten Ländern und schaffen dabei dort neue Probleme. Dabei wären unsere Wälder in der Lage den derzeitigen Holzbedarf unserer Gesellschaft zu decken, wenn wir richtig aufforsten und zugleich unsere Ansprüche zurücknehmen würden, z. B. bei Verpackung und Papier.
Zum Schluss konnten wir uns noch im Rembser Hof bei einem Kaffee zusammensetzen.
Was bei diesem Waldbegang deutlich geworden war, sind die große Bedeutung des Waldes für das Klima und dabei die Herausforderungen unserer Zeit, auf die wir Antworten finden müssen. Zugleich ist es aber auch eine Chance unserer Zeit, dass wirbeginnen, ökologische Zusammenhänge zu entdecken und uns dabei in einem intensivenLernprozess befinden.